“Ordnungstherapie” ist mit das älteste Konzept der Naturheilkunde und Grundpfeiler der ganzheitlichen Medizin.
Bereits in der Antike war bekannt, dass eine geordnete Lebensführung eine entscheidende Rolle für die Gesundheit spielt. Schon Hippokrates (460-370 v. Chr) betonte die Bedeutung eines ausgeglichenen Lebensstils für das körperliche und geistige Wohlbefinden. Auch in späteren Jahrhunderten beschäftigten sich bedeutende Naturheilkundler wie Paracelsus (1493 – 1541) mit der Frage, wie ein harmonischer Alltag zur Prävention und Heilung von Krankheiten beitragen kann.
Im 19. Jahrhundert griff dann Sebastian Kneipp diesen Ansatz auf und entwickelte die Ordnungstherapie zu einem systematischen Gesundheitskonzept weiter.
Er erkannte, dass äußere Anwendungen wie zum Beispiel Wassertherapien nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn sie durch eine bewusste und geregelte Lebensführung ergänzt werden. In der klassischen Naturheilkunde wurde die Ordnungstherapie deshalb als essenzielles Prinzip betrachtet, das eine gesunde Balance zwischen Aktivität und Ruhe, bewusster Ernährung, körperlicher Bewegung und geistiger Stabilität herstellt.
Die Ordnungstherapie fand in der Vergangenheit in vielen Bereichen Anwendung. Sie wurde zur Vorbeugung von Krankheiten eingesetzt und spielte eine bedeutende Rolle bei der Behandlung chronischer Beschwerden, insbesondere bei stressbedingten Leiden, Schlafstörungen, Verdauungsproblemen und psychosomatischen Erkrankungen. Auch in der Rehabilitation nach schweren Krankheiten half sie dabei, gesunde Routinen zu etablieren und die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren.
Heute, im 21. Jahrhundert, stellt sich die Frage, welche Relevanz diese Therapieform in einer modernen, digitalisierten und oft hektischen Welt noch hat. Sind die Grundsätze der Ordnungstherapie weiterhin von Bedeutung? Und wie lassen sie sich an die veränderten Lebensbedingungen anpassen?
Was genau ist Ordnungstherapie?
Die Ordnungstherapie ist eine der fünf zentralen Säulen der Naturheilkunde und wird auch als „Lebensordnungs-Therapie“ bezeichnet. Ihr Ziel besteht darin, Körper und Geist in ein harmonisches Gleichgewicht zu bringen, indem der Mensch eine bewusste Struktur in seinen Alltag integriert. Dabei geht es nicht um starre Regeln, sondern um individuell angepasste Routinen, die langfristig zu einem gesünderen und ausgeglicheneren Leben führen.
Ein geordneter Tagesablauf ist hier die Basis: Regelmäßige Schlafenszeiten, feste Mahlzeiten und ausreichend Erholungsphasen helfen dem Körper, sich auf natürliche Rhythmen einzustellen und seine innere Balance zu stabilisieren. Der Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung spielt dabei eine entscheidende Rolle. Um Überlastung zu vermeiden, sollte auf eine bewusste Abwechslung zwischen aktiven und regenerativen Phasen geachtet werden.
Auch die Ernährung ist ein zentraler Bestandteil der Ordnungstherapie: eine ausgewogene, nährstoffreiche Kost trägt nicht nur zur körperlichen Gesundheit bei, sondern beeinflusst auch das seelische Wohlbefinden positiv. Dabei geht es sowohl nur um die Auswahl gesunder Lebensmittel, als auch um die Art und Weise, wie gegessen wird: achtsame Nahrungsaufnahme, bewusstes Genießen und regelmäßige Mahlzeiten fördern eine gesunde Verdauung und beugen stressbedingten Beschwerden vor.
Neben körperlichen Aspekten bezieht die Ordnungstherapie auch die mentale Gesundheit mit ein.
Stressbewältigung, Achtsamkeit und ein bewusster Umgang mit Emotionen sind essenziell für das psychische Gleichgewicht. Wer lernt, seine Gedanken zu ordnen und bewusst zur Ruhe zu kommen, kann innere Stabilität entwickeln und besser mit Herausforderungen umgehen.
Soziale Strukturen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle in der Ordnungstherapie. Ein stabiles, unterstützendes Umfeld kann einen wesentlichen Beitrag zur seelischen Gesundheit leisten. Positive zwischenmenschliche Beziehungen, regelmäßige soziale Kontakte und ein ausgewogenes Maß an Gemeinschaft und Rückzug sind entscheidend für das Wohlbefinden.
Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
Die Prinzipien der Ordnungstherapie sind zeitlos, allerdings haben sich die Lebensbedingungen im Laufe der Jahrhunderte erheblich verändert. Wo unsere Vorfahren und früheren Generationen vor allem mit körperlicher Belastung und begrenzten medizinischen Möglichkeiten zu kämpfen hatten, sieht sich der moderne Mensch mit ganz andere Herausforderungen konfrontiert, die es uns schwermachen, eine gesunde Ordnung im Alltag unterzubringen.
Die Digitalisierung – so toll sie sein mag – hat dazu geführt, dass man heute nahezu rund um die Uhr und überall erreichbar ist. Smartphones und soziale Medien sorgen für steten Informationsfluss, was es schwer macht, wirkliche Ruhepausen zu finden. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen zunehmend, sodass viele Menschen das Gefühl haben, ständig verfügbar sein zu müssen.
Zudem sind wir heutzutage einer enormen Informationsflut ausgesetzt. Nachrichten, E-Mails und digitale Reize sind herausfordend fürs Auge. Die permanente Datenverarbeitung beansprucht das Gehirn stark. Gleichzeitig fehlt vielen Menschen die Zeit für bewusste Entspannung und Selbstfürsorge, da der Alltag von Termindruck, beruflichen Verpflichtungen und sozialen Erwartungen bestimmt wird.
Das Thema Bewegungsmangel stellt eine immer grössere Herausforderung dar.
Während körperliche Arbeit früher ein selbstverständlicher Bestandteil des Alltags war, verbringen viele heute den Großteil ihres Tages im Sitzen – sei es im Auto, im Büro am Bildschirm oder zu Hause vor dem Fernseher.
Die gesundheitlichen Folgen dieser inaktiven Lebensweise reichen von Rückenschmerzen über Stoffwechselstörungen bis hin zu ernsthaften Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Ordnungstherapie = Life-Style Medizin
Ordnung ist keine starre Disziplin, sondern lebendige Praxis, die sich an persönliche Bedürfnisse anpassen lässt. Wer es schafft, Struktur in seinen Alltag zu bringen, bewusster mit den Außenreizen umzugehen und regelmäßig für körperliche und geistige Entspannung zu sorgen, wird langfristig von mehr Wohlbefinden profitieren.
Obwohl die Ordnungstherapie aus der traditionellen Naturheilkunde stammt, ist sie im 21. Jahrhundert aktueller denn je. Das antiquierte Wort wurde durch “Life-Style Medizin” ersetzt, die der Patientin zahlreiche Ansätze an die Hand gibt, um die Herausforderungen unserer modernen Zeit besser zu bewältigen und ein gesünderes, bewussteres Leben zu führen.
Der reflektierte Umgang mit digitalen Medien kann dabei helfen, sich von ständiger Ablenkung zu befreien und Momente der Ruhe zu schaffen. Regelmäßiges “Digital Detox”, beispielsweise durch einen bewussten Verzicht auf das Handy in bestimmten Tageszeiten oder eine konsequente zeitlich begrenzte Abstinenz von Facebook, Insta & Co. tragen dazu bei, innere Ordnung wiederherzustellen und die Konzentrationsfähigkeit zu verbessern.
Auch feste Routinen im Alltag wirken stabilisierend und unterstützen den Körper dabei, in einen natürlichen Rhythmus zu finden. Hierzu zählen:
- regelmäßige Schlafzeiten
- feste Essenszeiten und
- bewusst Zeit für Bewegung und Entspannung
Des Weiteren kann die Reduktion von Konsum und Verpflichtungen mit dazu beitragen, mehr Klarheit und Struktur ins Leben zu bringen.
Regelmäßige Waldspaziergänge, Sporteinheiten oder einfach nur Zeit an der frischen Luft stellen einen wichtigen Ausgleich zur digitalen Welt dar.
Die mentale Ordnung ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Meditation, Atemübungen und Achtsamkeitspraktiken helfen, Stress abzubauen und innere Unruhe zu reduzieren. Wer es schafft, regelmäßig innezuhalten und sich bewusst zu entspannen, kann langfristig mehr Resilienz gegenüber den Anforderungen des Alltags entwickeln.
Auch der soziale Aspekt sollte nicht vernachlässigt werden. Echte zwischenmenschliche Begegnungen und ein bewusst gepflegtes soziales Netzwerk tragen maßgeblich zur psychischen Gesundheit bei und können helfen, Stress abzubauen und emotionale Stabilität zu fördern.
TFM und Ordnungstherapie
Die TFM hat so manche Berührungspunkte mit der Ordnungstherapie. Als ganzheitliche Methode zielt sie darauf ab, den Körper in einen balancierten und ausgeglicheneren Zustand zu bringen und die Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Indem wir bei jeder einzelnen sanften Streichung diese regulatorischen Prozesse initiieren, unterstützt dies ultimativ auch die (hormonelle) Balance.
Durch die zielgerichteten Berührungen reguliert sich auch das vegetative Nervensystem, was auch wieder Stress abgebaut und die innere Balance fördert. Wir sollten daher heute mehr denn je das Milz-Modul in den Fokus unseres Wirkens stellen: die sanften, langsamen und rhythmischen Streichungen geben der Patientin die Möglichkeit, eine andere Pace integrieren zu können. So berichten Patientinnen darüber, dass sie sich ihrer selbst bewußter sind, ihre innere Mitte besser wahrnehmen können und dadurch besser mit den vielen Anforderungen, die das Leben an sie stellt, umgehen zu können.