Ich beginne meine Praxisgespräche gerne mit der Frage: “Was glauben Sie, wie ich Ihnen behilflich sein kann.” – und ernte damit natürlich bei meinem Gegenüber zwei große Fragezeichen in den Augen.
Schließlich hat mich Frau X ja aufgesucht mit einem dicken Ordner voller Diagnosen in der stillen Hoffnung auf eine “Spontanheilung” – und jetzt wird sie gefragt, wie Hilfe aussehen würde… Nun – in den allermeisten Fällen – arbeiten wir im ersten Termin und über die Anamnese ganz andere Aspekte heraus als sie zunächst bei der Terminvereinbarung am Telefon geäußert hat.
Vor die Therapie haben die Göttinnen die Anamnese gestellt
Erst in der Anamnese kristallisieren sich die Behandlungsaspekte heraus. Und erst aus den unterschiedlichen Anforderungen, die so individuell sind wie die Geschichte der Klientin selbst, kann ich – gemeinsam mit der Klientin – das Behandlungsziel überhaupt erst festlegen.
Ich warne meine Klientinnen immer schon vor, dass ich auch ungewöhnlichere Fragen stelle, die Dinge beleuchten, die auch unangenehm sein können. So kann ich mir ein Bild machen: neben den Befunden, Werten und den damit gewählten Schubladen, in den die Klientin schon steckt (und in die sie eventuell gar nicht hineingehört), ein Gespür für sie entwickeln, sie jenseits der “harten Fakten” wahrzunehmen in ihrem Wesen, ihrem Sein, ihrem (tatsächlichen und nicht offen-sicht-lichen) Anliegen.
“Ohne sein Ziel zu kennen, ist jeder Weg der Falsche.”
Von Symptomen und Baustellen
Nehmen wir mal das plastische Beispiel einer Mittelmeerkreuzfahrt, die mich von A über B nach C, D, E und dann ans Ziel führt. Ich schaue mir bei jedem Mal etwas anderes an, weiss aber, dass ich irgendwann ans Ziel komme.
Wenn ich aber nicht weiss, wo unser Ziel ist, schippere ich kreuz und quer und finde alles schön / oder alles doof, lasse mich treiben, versinke eventuell in Gleichförmigkeit und nehme nicht wahr, wie sich die Farbe des Meeres oder die Stärke des Lüftchens um mich herum verändern.
Von daher ist es von enormer Wichtigkeit, gemeinsam mit der Klientin ein Ziel zu definieren, die Segel zu setzen und daraufhin zu steuern. Wichtig hierbei ist es auch, das Ziel in Etappen zu unterteilen und die Aufmerksamkeit der Klientin auf Leuchttürme entlang des Weges zu richten.
Therapeutische Leuchttürme wären zum Beispiel: “Woran merken Sie, dass sich X, Y, Z verändert?”
Akut vor Chronisch
Zieht auf meiner Reise hin zum Ziel ein Unwetter auf, dann muss ich auf dieses zuerst reagieren – therapeutisch übersetzt hieße das “Akut vor chronisch”.
Wenn also meine Klientin zu einer Behandlungseinheit kommt und über etwas “Neues” klagt, dann widme ich meinen Fokus und meine Aufmerksamkeit auf eben diesen Arbeitsauftrag; wohlwissend, dass unser Zielhafen wo anders ist, braucht dieses Symptom zunächst einmal meine Aufmerksamkeit.
Folglich richte ich meine Behandlungseinheit auf eben diesen Arbeitsauftrag aus.
Im Tempo der Klientin segeln
Auf hoher See gibt es immer auch den Wunsch nach Ausspannen, Innehalten, Ankern, Abschied nehmen.
Therapeutisch gehen wir daher im Tempo der Klientin; auch wenn es uns in unserer Funktion als Reiseleitung schwer fallen sollte (weil unser Ego ja genau weiss, wo die Reise hingeht). Hätte die Klientin dies gewollt, wäre sie statt mit dem Schiff langsam und mit Unterbrechung zu schippern, ins Flugzeug gestiegen, um “schnell” ans Ziel zu gelangen.
Wir achten also bei unseren Behandlungen auf vegetative Zeichen und arbeiten achtsam im Tempo der Klientin.
Orientierung
Wichtig ist – bei jeder weiteren Behandlungs-Sequenz zu erfragen, wie die Klientin ihren Körper wahrnimmt, wie das Be-Finden ist, wie sich unterschiedliche Symptome verändert / verbessert / verschlechtert haben oder ob sie gar verschwunden sind und ein neuer Aspekt nun zu Tage und an die Oberfläche gekommen ist, der nun unserer gemeinsamen Aufmerksamkeit bedarf.
TFM-Behandlung
Die TFM-Behandlung richtet sich also am vorherrschenden Anliegen der Klientin aus, das wir auf unserem Dokumentationsbogen oben vermerken. Wir beginnen mit einer Lymphatischen Grundbehandlung und behandeln in maximalst (*) 60 Minuten und einem stimmigen Behandlungsflow das aktuelle Begehr der Klientin.
Fazit
Eine Reise beginnt mit dem ersten Schritt und dauert immer eine gewisse Zeit. Im Vorfeld bedarf eine Reise der Planung und – selbst bei noch so guter Reiseplanung – sollten wir offen sein für Neues, Unerwartetes und darauf adäquat reagieren können.
Umso schöner ist es, am Ziel anzukommen und dort die schöne Aussicht, den Sonnenuntergang und die Atmosphäre genießen zu können.
Mit Dank an den Kapitän, der sein Schiff und die Route kennt und sich an die Regeln der Navigation hält, damit keine(r) Schiffbruch erleidet.
(*) maximalst bedeutet übersetzt, dass die Behandlung durchaus kürzer sein darf, sofern uns Behandlerinnen die vegetativen Zeichen der Klientin dazu auffordern.